STURM UND DRANG
(1767-1785)

Abgrenzung:
- die Zeit vom Erscheinen der Herderschen Fragmente (1767) bis zur Wandlung Goethes
und Schillers (1785)
- Bezeichnung nach Maximilian Klingers Schauspiel Sturm und Drang (ursprünglich
Wirrwarr genannt)
- die Bezeichnung „Genieperiode“ – Forderung der Überordnung des Genies dem kritischen Kopf

allgemeine Charakteristik:
- natürliche Gesellschaftsordnung für den natürlichen Menschen angestrebt
- Epoche steht gedanklich im Widerspruch zur Aufklärung – dem Verstand auch Herz,
Gefühl, Ahnung und Trieb gegenübergestellt
- Bruch mit dem Glauben an den Kulturfortschritt
- Kulturpessimismus, Naturoptimismus, Naturidealismus
- Naturmensch dem Kulturmenschen als etwas Höheres entgegengestellt – Sympathie zu unschuldigen Kindern, naiven Frauen, der Landbevölkerung, den Griechen Homers, den alten Germanen
- Gesteigertes Sinnesleben, Selbstbewusstsein des Einzelnen, Hervorkehrung der Individualität
- Bestimmung der Dichtung und Religion – die Menschheit zur wahren Humanität zu führen
- Menschheitsgeschichte als Verwirklichung des göttlichen Plans
- Kunst als Offenbarung, nicht Mittel zu einem Zweck

Genie:
- Der Kunstschaffende = das Genie; geniale Dichtung = Erlebnisdichtung, Naturdichtung
- Genie ist der Begnadete Gottes – Symbol Prometheus – Genie als gesetzgebende Instanz
- Young: „Regeln sind wie Krücken, eine notwendige Hilfe für den Lahmen, aber ein Hindernis für die Gesunden.“

Philosophie:
- Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) – der Verfall der Sitten gehe mit dem Fortschritt der Kultur Hand in Hand; Alles ist gut, wenn es aus den Händen des Schöpfers kommt, aber es verdirbt in den Händen der Menschen, daher seine Forderung: „Zurück zur Natur!“
- Edward Young (1681-1765) – Anregungen aus England – Anregungen zur Lehre vom Genie – Genie schafft aus instinktiven Eingebungen
- Volksliederbewegung
- Ossian

Gattungen: v. a. Drama – Aufforderung zur Änderung der sittlichen und sozialen Zustände

Hauptthema: Konflikt zwischen dem Naturmenschen und der bestehenden Kultur – v. a. als Kampf um politische Freiheit (Schiller: Fiesko, Kabale und Liebe), Freiheitskampf gegen die Gesellschaft (Goethe: Götz, Schiller: Die Räuber), Kampf um die Freiheit der Liebe gegen ihre Beschränkungen durch den Standesunterschied, als Freigeisterei der Leidenschaft und der Ehre, Kampf um metaphysische Freiheit gegen christliche Kirche,
für eine natürliche Religion und sittliche Weltordnung

Drama:
- Vorbild: Shakespeare – Technik der Fetzenszenen, Bruch mit den 3 Einheiten, Verherrlichung der Kraft und Kraftkerle, der Leidenschaft, das Schaurige
- Unberechenbarkeit der Menschentypen, die schwachen Charaktere neben den „Übermenschen“, die auch haltlose Menschen sind, das innere Schwanken der Gestalten, Unbestimmbarkeit der Sehnsucht
- Handlung: eine Kette von symbolischen Zufällen“
- Mischung komischer und tragischer Wirkung (Lenz)
- Die Sprache fast ohne Ausnahme in Prosa
- Explosivstil – forcierte Kraftstil, keine vollständigen Sätze, Ausrufe gehäuft
- Lyrik
- Erlebnislyrik
- Volkslied neben Kunstlied
- Wiederbelebung der Ballade, bei Bürger und Goethe Erzählung einer außerordentlichen Begebenheit
- Sprache
- Bevorzugt gesprochenen Naturform
- Nicht äußerlich regelmäßig, klassische Vorbilder traten zurück

Erzählende Dichtung – weniger vertreten

Zentren/Vertreter:
- Ältere Gruppe um Goethe in Straßburg und Frankfurt – Klinger, Lenz, Miller
- Jüngere Gruppe – in Schwaben um Schubert und den jungen Schiller
- Verbreitung – Lesegesellschaften und Lesekabinette wichtig

Vertreter und Werke:
Bürger, Gottfried August: Lenore (Ballade, 1773)
Goethe, Johann Wolfgang: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand (Schauspiel, in Prosa, 1773), Die Leiden des jungen Werthers (Briefroman, 1774), Prometheus (Gedicht, 1785)
Hamann, Johann Georg
Herder, Johann Gottfried
Klinger, Friedrich Maximilian: Sturm und Drang (Schauspiel, in Prosa, 1777)
Lenz, Jakob Michael Reinhold: Der Hofmeister oder Vorteile der Privaterziehung (Komödie, in Prosa, 1774), Die Soldaten (Komödie, Prosa, 1776)
Schiller, Friedrich: Die Räuber (Schauspiel, in Prosa, 1781), Fiesko (Trauerspiel, in Prosa, 1783), Kabale und Liebe („Ein bürgerliches Trauerspiel, in Prosa, 1784)
Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindesmörderin (Tragödie, in Prosa, 1776)


(NACH: Baumann, Barbara; Oberle, Birgitta: Deutsche Literatur in Epochen.
München: Hueber, 1995.)

Last modified: Thursday, 27 September 2012, 2:43 PM