Walther von der Vogelweide, als der bedeutendste und vielseitigste unter den deutschen Minnesängern (s.d.), sowie schon von seinen Zeitgenossen als Meister des Gesanges anerkannt, wurde um das Jahr 1170 von unbemittelten adeligen Ältern (nach unbewiesenen Angaben im Thurgau) geboren. Nach seinen eignen Worten lernte er in Östreich »singen und sagen«, im Ganzen ist jedoch wenig von seinen  Lebensumständen ermittelt und er scheint seinen Aufenthalt oft verändert und viel gereist zu haben. Seit 1190 verweilte er an den Höfen der östr. Herzöge, des deutschen Königs Philipp von Schwaben, des Landgrafen Hermann von Thüringen und nahm an dem Sängerwettstreite oder Kriege auf der Wartburg Theil, befand sich nachher wieder in Wien, dann bei Kaiser Friedrich II., von welchem er ein Reichslehn erhielt und dem er auf seinem Kreuzzuge (1228–29) gefolgt zu sein scheint. Auch nachher verweilte er in Wien und soll nach 1230 in Würzburg gestorben sein. Gedankenfülle, malerische Schilderung, lebhaftes
Nationalgefühl und der Unmuth über die von der Herrschsucht des Papstes und der ihm ergebenen Geistlichkeit in Deutschland
angezettelten Spaltungen, Weltkenntniß, tiefe Auffassung, Scherz und witzige Feinheit, sowie eine ungekünstelte Mannichfaltigkeit der
Versform und Reimweise sprechen sich dem Charakter seiner Dichtungen angemessen darin aus. Eine Darstellung von des Dichters Leben und Werken hat L. Uhland, »Walther von der Vogelweide« (Stuttg. 1823), und K. Simrock eine Übersetzung seiner Gedichte mit Erläuterungen von sich und W.
Wackernagel (2 Bde., Berl. 1833) herausgegeben.

Quelle: Zeno.org.

UNTER DER LINDE

Unter der Linde
Auf der Heide,
Wo ich mit ihm zusammensaß,
Da mögt ihr finden,
Ach, wohl beide
Zerknickt die Blumen und das Gras.
Vor dem Walde in dem Thal
Tandaradei!
Sang gar schön die Nachtigall.

Als ich gegangen
Kam zur Aue,
Da fand ich meinen Liebsten schon.
Da ward ich empfangen,
Heil'ge Fraue!
Daß ich noch selig bin davon.
Küßt' er mich? - ach, tausendfach
Tandaradei!
Seht, wie rot mein Mund danach.

Da hatte mein Lieber
Uns gemachet
Ein Bett von Blumen mancherlei,
Daß mancher drüber
Herzlich lachet,
Zieht etwa er des Wegs vorbei.
An den Rosen er wohl mag
Tandaradei!
Merken, wo das Haupt mir lag.

Daß er mich herzte,
Wüßt' es einer,
Behüte Gott, wie schämt' ich mich!
Wie er da scherzte,
Keiner, keiner
Erfahre das, als er und ich
Und ein kleines Vögelein,
Tandaradei!
Das mag wohl verschwiegen sein.

 

 

 

Naposledy změněno: neděle, 17. února 2013, 14.18