Christian Hofmann von Hofmannswaldau (1617 – 1679)

Auf den Mund

 

Mund! der die Seelen kann durch Lust zusammen hetzen,

Mund! der viel süßer ist als starker Himmelswein,

Mund! der du Alikant des Lebens schenkest ein,

Mund! den ich vorziehn muss der Juden reichen Schätzen,

Mund! dessen Balsam uns kann stärken und verletzen,

Mund! der vergnügter blüht als aller Rosen Schein,

Mund! welchem kein Rubin kann gleich und ähnlich sein,

Mund! den die Grazien mit ihren Quellen netzen:

Mund! ach. Korallenmund, mein einziges Ergetzen,

Mund! lass mich einen Kuss auf deinen Purpur setzen!

 

Johann Christian Günther ( 1695 – 1723)

Als er der Phyllis einen Ring mit einem Totenkopf überreichte

Erschrick nicht vor dem Liebeszeichen,

Es träget unser künftig Bild,

Vor dem nur die allein erbleichen,

Bei welchen die Vernunft nichts gilt.

Wie schickt sich aber Eis und Flammen?

Wie reimt sich Lieb und Tod zusammen?

Es schickt und reimt sich gar zu schön,

Denn beide sind von gleicher Stärke

Und spielen ihre Wunderwerke

Mit allen, die auf Erden gehn.

Ich gebe dir dies Pfand zur Lehre:

Das Gold bedeutet feste Treu,

Der Ring, dass uns die Zeit verehre,

Die Täubchen, wie vergnügt man sei;

Der Kopf erinnert dich des Lebens,

Im Grab ist aller Wunsch vergebens,

Drum lieb und lebe, weil man kann,

Wer weiß, wie bald wir wandern müssen l

Das Leben steckt im treuen Küssen,

Ach, fang den Augenblick noch an!

Martin Opitz (1597 – 1639)

Ach Liebste / laß vns eilen /

 

Wir haben Zeit:

Es schadet das verweilen

Vns beyderseit.

Der edlen Schönheit Gaben

Fliehn fuß für fuß:

Das alles was wir haben

Verschwinden muß.

Der Wangen Ziehr verbleichet /

Das Haar wird greiß /

Der Augen Fewer weichet /

Die Brunst wird Eiß.

Das Mündlein von Corallen

Wird vngestalt /

Die Händ' als Schnee verfallen /

Vnd du wirst alt.

Drumb laß vns jetzt geniessen

Der Jugend Frucht /

Eh' als wir folgen müssen

Der Jahre Flucht.

Wo du dich selber liebest /

So liebe mich /

Gieb mir / das / wann du giebest /

Verlier auch ich.

(1624)

*

Z 1 f: Lass uns eilen – d.m. : Wir müssen uns beeilen; die Zeit drängt (!); wir haben keine

Zeit zu verlieren; denn die „Gruffti“ - Würmer campieren schon in der kühlen Erde.

Christian Hofmann von Hofmannswaldau (1617 – 1679)

Vergänglichkeit der schönheit.

 

ES wird der bleiche tod mit seiner kalten hand

Dir endlich mit der zeit umb deine brüste streichen /

Der liebliche corall der lippen wird verbleichen;

Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand /

Der augen süsser blitz / die kräffte deiner hand /

Für welchen solches fällt / die werden zeitlich weichen /

Das haar / das itzund kan des goldes glantz erreichen /

Tilgt endlich tag und jahr als ein gemeines band.

Der wohlgesetzte fuß / die lieblichen gebärden /

Die werden theils zu staub / theils nichts und nichtig werden /

Denn opfert keiner mehr der gottheit deiner pracht.

Diß und noch mehr als diß muß endlich untergehen /

Dein hertze kan allein zu aller zeit bestehen /

Dieweil es die natur aus diamant gemacht.

*

(1679?)

Anm.: Vers 8: gemeines= vereintes, gemeinsames

ZUM VERGLEICH:

Entdeckung an einer jungen Frau (1929)

Bertolt Brecht

Des Morgens nüchterner Abschied, eine Frau

Kühl zwischen Tür und Angel, kühl besehn.

Da sah ich: eine Strähn in ihrem Haar war grau

Ich konnt mich nicht entschließen mehr zu gehn.

Stumm nahm ich ihre Brust, und als sie fragte

Warum ich, Nachtgast, nach Verlauf der Nacht

Nicht gehen wolle, denn so war's gedacht

Sah ich sie unumwunden an und sagte:

Ist's nur noch eine Nacht, will ich noch bleiben

Doch nütze deine Zeit; das ist das Schlimme

Daß du so zwischen Tür und Angel stehst

 

Und laß uns die Gespräche rascher treiben

Denn wir vergaßen ganz, daß du vergehst.

Und es verschlug Begierde mir die Stimme.

 

 

Zuletzt geändert: Sonntag, 17. Februar 2013, 15:04