DEUTSCHSPRACHIGE LITERATUR NACH 1945
BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND (1945-1959)


Situation nach Kapitulation 1945
- ein schwieriger Anfang, viele bekannte deutsche Schriftsteller emigriert, viele verstummten, wurden von den Nationalsozialisten ermordet oder nahmen sich selbst das Leben, Zerstörung der Städte und der Theater, Papierknappheit – deshalb wird manchmal von dem sog. „Nullpunkt“ in der Literatur für die Situation nach 1945 gesprochen

Themen der Nachkriegsliteratur
- Erlebnis des Krieges, Versuche, das Grauen in Sprache zu fassen, Frage nach Schuld und Verantwortung des deutschen Volkes

drei Linien der Literatur nach 1945
1) Literatur der zurückkehrenden Emigranten
z. B. Carl Zuckmayer: Des Teufels General (Drama, 1946)
2) Innere Emigration
z. B. Günther Weisenborn: Die Illegalen. Drama aus der deutschen
Widerstandsbewegung (1946)
3) Junge Generation
z. B. Wolfgang Borchert: Draußen vor der Tür. Ein Stück, das kein
Theater spielen und kein Publikum sehen will (Drama, 1947)

Hörspiel
- relativ neue Gattung, in den 50er Jahren beliebt
- z. B. Günter Eich: Träume (1953)

Lyrik
- die Lyrik, die vor dem Kriegsende entstanden ist, veröffentlicht – z.B. Albrecht Haushofer: Moabiter Sonette (1946)
- Natur- und Landschaftslyrik: M. L. Kaschnitz
- Günter Eich: Abgelegene Gehöfte (1948)
- Gottfried Benn: Statische Gedichte (1948)

Prosa
- es nahm mehr Zeit in Anspruch, bevor sich eine neue Prosa
herausbildete
- „Gruppe 47“ – junge Dichter und Kritiker, die sich als eine Gruppe ohne festes Programm etablierten, Lesungen der Manuskripte, spielte bis in die 60er Jahre eine führende Rolle in der deutschen Literatur
- H. W. Richter, Wolfdietrich Schnurre, Wolfgang Weyrauch, Günter Eich, Heinrich Böll, Alfred Andersch, Günter Grass
- Gattung der Kurzgeschichte nach dem amerikanischen Vorbild geprägt, eine sehr beliebte Gattung nach 1945
- Wolfgang Weyrauch prägte für die Literatur den Begriff „Kahlschlag“ – d. h. die Literatur muss nach 1945 völlig neu in allen Aspekten anfangen (Sprache etc.)
- Heinrich Böll prägte später den Begriff „Trümmerliteratur“ –
realistisches Schreiben, die Literatur ist aus den Trümmern
hervorgegangen, die Trümmer auch als das Hauptthema
- Heinrich Böll: Wanderer, kommst du nach Spa… (1950,
Kurzgeschichten), Und sagte kein einziges Wort (Roman, 1953), Haus
ohne Hüter (Roman, 1954)
- Alfred Andersch: Sansibar oder der letzte Grund (Roman, 1957)
- Günter Grass: Die Blechtrommel (Roman, 1959); Uwe Johnson:
Mutmaßungen über Jakob (Roman, 1959); Heinrich Böll: Billiard um
halbzehn (Roman, 1959) – im Jahre 1959 endet mit dem Erscheinen
diese drei Romane die unmittelbare Nachkriegsliteratur – es sind die ersten Werke, die nach dem Ende des Krieges wieder das Niveau der
Weltliteratur erreicht haben

VERTRETER UND WERKE
Alfred Andersch (1914-1980): Die Kirschen der Freiheit (Roman, 1952), Sansibar oder der letzte Grund (Roman, 1957)
Gottfried Benn
Heinrich Böll (1917-1985): Der Zug war pünktlich (Erzählung,1949),
Wanderer, kommst du nach Spa (Kurzgeschichten, 1950), Wo warst du, Adam? (Roman, 1951), Und sagte kein einziges Wort (Roman, 1953), Haus ohne Hüter (Roman, 1954), Billiard um halbzehn (Roman, 1959)
Wolfgang Borchert (1921-1947): Drau3en vor der Tür (Drama, 1947)
Günter Eich (1907-1972): Abgelegene Gehöfte (Gedichte, 1948),
Träume (Hörspiel, 1953)
Günter Grass (1927): Die Blechtrommel (Roman, 1959)
Uwe Johnson (1934-1984): Mutmaßungen über Jakob (Roman, 1959)


BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND (1959-1970)


politisch
- die 60er Jahre wurden v. a. durch die Studentenbewegung und die APO (Außerparlamentarische Opposition) bestimmt, die in der
Opposition zur Regierung gegen die Wiederaufrüstung Deutschlands, gegen die proamerikanische Orientung Deutschlands, gegen den Krieg in Vietnam u.s.w. protestierten

allgemeine Charakteristik
- in der Literatur fanden diese Phänomene v. a. in der Neigung zum
Realismus bis Dokumentarismus ihren Niederschlag – Nähe der Literatur zu den aktuellen Problemen, zum Alltag, zur Politik
- Politisierung der Literatur

Dokumentartheater
- direkte Konfrontation mit wahren, geschichtlich-politischen Fakten
- zu dieser Zeit – zahlreiche NS-Prozesse, Angst vor dem neuen Krieg
- Rolf Hochhuth: Der Stellvertreter (dokumentarisches Drama, 1963) – Kritik der Haltung der Kirche und des Papstes gegenüber dem Dritten Reich
- Heinar Kipphardt: In der Sache J. Robert Oppenheimer
(dokumentaristisches Drama, 1964) – Prozess mit dem amerikanischen Wissenschaftler Oppenheimer, dem Hersteller der Wasserstoffbombe
- Peter Weiss: Die Ermittlung (dokumentarisches Drama, 1965) – auf der Grundlage des Auschwitz-Prozesses geschrieben
- „Gruppe 61“ - Ziel der Gruppe – industrielle Arbeitswelt in der Literatur darzustellen

politisch engagierte Lyrik
- Hans Magnus Enzensberger (1929): verteidigung der Wolfe (1957), landessprache (1960), blindenschrift (1964)


BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND (1970-1980)


- Zuwendung zu dem Alltag (Sprache, Themen)
- Erfahrung des einzelnen Menschen zentral, die Literatur wird
zunehmend „privat“, Interese für das Leben und gefühle des Einzelnen
- Ernüchterung und Resignation nach dem Scheitern der
Studentenrevolte in den 60er Jahren
- Psychologisierung des Erzählens (z. B. Martin Walser)
- Thema: Vater – Roman als Bewältigungsversuch – die Autoren
hinterfragen ihre Verhältnis zu den Vätern – im Vordergrund die Frage, wie die Vater die Zeit des Nationalsozialismus überstanden haben – z. B. Peter Härtling: Nachgetragene Liebe (Roman, 1980), Christoph Meckel: Suchbild. Über meinen Vater (Roman, 1980)
- Frauenliteratur – hängt mit dem Interesse an dem Individuellen, sowie mit der Frauenbewegung (Feminismus) zusammen – Literatur von Frauen und für Frauen – z. B. Verena Stefan: Hätungen (Roman, 1975), Karin Struck: Klassenliebe (Roman, 1973)

Volksstück
- die Tradition des Volksstücks erneuert, v. a. soziale Problematik, die
„einfachen“ Leute im Zentrum
- M. Sperr, F. X. Kroetz
Drama
- Botho Strauß

Künstlerbiographien
- Peter Härtling: Hölderlin (1976), Adolf Muschg: Gottfried Keller (1977)

weitere Vertreter und Werke
Heinrich Böll (1917-1985): Gruppenbild mit Dame (Roman, 1971), Die verlorene Ehre der Katharina Blum (Erzählung, 1974)
Martin Walser (1927): Halbzeit (Roman, 1960), Ein fliehendes Pferd (Roman, 1978)

(Nach: Baumann, Barbara; Oberle, Birgitta: Deutsche Literatur in Epochen. München: Max Hueber Verlag, 1995.)

Last modified: Thursday, 27 September 2012, 2:43 PM